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Freitag, März 29, 2024

Saturn testet kassenloses Bezahlen

Einkaufen ohne Ladenkasse. Saturn testet in München kassenloses Bezahlen, weitere Märkte sollen folgen. Eine wichtige Funktion übernimmt die Diebstahlsicherung «Spinne».

Entgegen aller Prophezeiungen: Die Deutschen halten am Bargeld fest. Drei von vier Käufe zahlen sie bar. Dafür nehmen sie auch Anstehen an der Ladenkasse in Kauf. Immerhin: Es wird mehr denn je mit Karte bezahlt, insgesamt 4,5 Milliarden Mal im vergangenen Jahr. Der Durchschnittsbetrag pro Zahlvorgang betrug 62 Euro. Damit stieg gegenüber dem Vorjahr die Anzahl der Kartenzahlungen um elf Prozent, das Volumen um neun Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt Deutsche Bundesbank in ihrer Zahlungsverkehrsstatistik 2017. Aber auch Kartenzahlungen sind mit Anstehen an der Ladenkasse verbunden – egal ob im Tante Emma Laden oder beim Retailer. Für Martin Wild, Chief Innovation Officer der Media Markt Saturn Retail Group, ein Umstand, der so auf Dauer nicht sein muss. Denn: «Niemand steht gern in einer Kassenschlange an.» Darum testet der Retailer jetzt in Deutschland die Möglichkeit des kassenlosen Bezahlens, ohne aber, wie Wild gegenüber ChannelObserver bekräftigt, ganz auf Kassen verzichten zu wollen. Gleichwohl könnte die Zahl der Kassen pro Markt reduziert, dafür das Kassenpersonal zu Kundenberatern oder für andere Tätigkeiten umgeschult werden. Doch bis dahin werde noch einige Zeit ins Land gehen, fügt er hinzu.

Erste Erfahrungen machte der Retailer bereits im Frühjahr in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck. Dort sollte der kassenlose Testmarkt «Saturn Express» zeigen, ob ein solches Konzept aufgehen kann. Es ging auf, wie Wild versichert, die Testphase sei durchweg positiv verlaufen. Etwa 30.000 Besucher hätten den kassenlosen Elektronikmarkt getestet. Nun folgt seit Freitag vergangener Woche die erste Testphase in Deutschland  – bei Saturn in Münchens größtem Einkaufszentrum PEP. Anders als in Innsbruck steht in München den Kunden derzeit nur eine Produktgruppe zum kassenlosen Bezahlen zur Verfügung: Kopfhörer. Denn diese Produkte, so Wild, seien als hochwertige, preisintensive Trendprodukte vor allem bei der technikaffinen jungen und jüngeren Käufergruppe beliebt. Folglich jenen Käufern, für die der Umgang mit dem Smartphone und Apps zum Alltag gehört. Und: Kopfhörer seien Mitnahmeartikel, bedürfen keiner Beratung. Zur Premiere der Testphase demonstrierte der Innovations-Chef im Rahmen einer Presseveranstaltung den Bezahlprozess am Kopfhörer-Regal. An seiner Seite: Alexander Schneider, CEO und Sebastian Müller, CTO des Startup Rapitag GmbH. Während in Innsbruck der britische Startup MishiPay die fürs Bezahlen notwendige App lieferte, freut sich Wild in München darauf, «mit der Rapitag-Lösung Made in Germany neue wertvolle Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln». Denn mit «Saturn Smartpay» will der Retailer nicht nur die Bereitschaft der Kunden fürs mobile Bezahlen testen, sondern auch erfahren, «wie der Self-Checkout bei hochwertigen, preisintensiven Produkten mit Diebstahlsicherung funktionieren kann».

Die als «Spinne» bezeichnete Diebstahlsicherung besteht aus einer im 3D-Druck hergestellten Kunststoffbox samt Elektronik, die über vier flexible Bänder und einer Gegenplatte fest mit der Ware verbunden ist. Die Spinne wurde ebenso wie die App, mit der der Kunde das Produkt bezahlt und entsichert, von der Rapitag GmbH entwickelt. Dass die Münchener Jungunternehmer mit ihrem Produkt bei Saturn zum Zuge kamen, resultiert auch auf der Teilnahmen an der ersten Programmrunde des Handels-Accelerators Retailtech Hub von Media Markt/Saturn. Zugleich konnten sie mit einem anderen Sicherungssystem bereits erste Erfahrungen im Bekleidungseinzelhandel vorweisen, wie Rapitag-CEO Schneider im Gespräch mit ChannelObserver klärt. Allerdings, so Schneider, «ist das Interesse an solchen Lösungen beim Handel zwar groß, aber es traut sich keiner so richtig.» Umso mehr seien er und sein Mitstreiter froh über die Zusammenarbeit mit Saturn. Außerdem unterhalte man sich derzeit mit der Schwarz-Gruppe über eine ähnliches Projekt bei Kaufland.

Kunden, die bei Saturn München PEP-Kopfhörer unter Umgehung der Kasse kaufen möchten, müssen zuvor die «Saturn Smartpay»-App aus dem Play Store von Apple oder Google auf ihr Smartphone laden. Nach der Registrierung wird das Smartphone an die Produktsicherung des ausgesuchten Produktes gehalten. Über eine Bluetooth-Schnittstelle entsperrt sich die Spinne automatisch, und das Produkt ist bezahlt. Die Produktsicherung wird in einen sich automatisch öffnenden Aufbewahrungsbehälter geworfen und die Kunden können mit dem Produkt den Markt verlassen. Die Sicherungen werden später vom Marktpersonal entnommen, mit neuen Produktdaten programmiert und damit wiederverwendet. Das Besondere an dieser weltweit patentierten Diebstahlsicherung sei, so Schneider, dass sie sowohl Diebstahl, als auch das unerlaubte Öffnen der Produktverpackung im Markt verhindert, da sie nur nach dem Bezahlen über einen digitalen Schlüssel des Kunden-Smartphones geöffnet werden kann.

Derzeit, so Wild, ist die Bezahlung mittels App per Kreditkarte oder Paypal möglich. Nach dem Kauf erhalten die Kunden per Mail einen Kaufbeleg zugeschickt. Außer für Einkäufe eignet sich die App auch als sogenannter persönlicher Einkaufsassistent. Das heißt, sie liefert Produktinformationen, Bilder und aktuelle Preise und speichert den digitalen Kassenbon. Zudem bietet sie eine Feedbackfunktion, über die man seine Erfahrung beim kassenlosen Einkauf mit Saturn teilen kann. Und das soll, so der Innovation-Manager, in absehbarer Zeit auch in weiteren Märkten der Elektronikkette möglich sein. Wild denkt dabei an den Saturn-Markt in der Mönckebergstraße in Hamburg. Doch ob noch in diesem Jahr oder erst zu Beginn 2019, das sei noch nicht entschieden.

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